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12.06.2023 Allgemein

PVE – ein Wun­der­mit­tel gegen die Ge­sund­heits­kri­se?

Schallmeiner-Giritzer-Penninger

Die aktuelle Gesundheitskrise ist vor allem eine Krise des so genannten niedergelassenen Bereichs. Wir haben zwar mit ca. 48.000 so viele Ärzt:innen wie noch nie in Österreich, und gleichzeitig sind immer weniger von ihnen bereit im öffentlich finanzierten Sektor tätig zu sein. Die Gründe dafür sind mannigfaltig, und haben vor allem bei jüngeren Mediziner:innen nicht per se etwas mit der Bezahlung zu tun. So genannte Primärversorgungseinrichtungen – kurz PVE – können hier eine Lösung darstellen.

2017 haben sich Wissenschafter:innen an der MedUni Graz mit der Motivation von Studierenden auseinander gesetzt. Das Ergebnis zeigt, dass es den Jungemediziner:innen um Teamwork, um interdisziplinäres Arbeiten, um Arbeiten mit anderen Berufsgruppen auf Augenhöhe geht. Das Bild des allein tätigen Gemeindearztes, der 24/7 für seine Patient:innen alleine zur Verfügung steht und vielleicht auch noch beim Einkauf an der Kasse medizinische Fragen seiner Patient:innen beantwortet, ist für viele keine Zukunftsvision mehr. Und ebenso wie das berufliche Setting eine zentrale Frage stellt, geht es immer mehr Jungmediziner:innen um eine gesunde Work-Life-Balance, um verteilte Verantwortung – sowohl für die Patient:innen als auch wirtschaftlich. Eine neu zu eröffnende oder zu übernehmende Ordination ist ein wirtschaftliches Risiko, das es zuerst zu stemmen gilt, und für dieses Wagnis muss man auch erst bereit sein.

Hier hätte ebenfalls 2017 die Idee der PVE ansetzen sollen: mindestens drei Allgemeinmediziner:innen tun sich zusammen, und betreiben gemeinsam eine Ordination. Sie können andere Mediziner:innen anstellen, haben 60 Stunden pro Woche mindestens geöffnet, und können auch im Sinne einer breiten Versorgung mehr anbieten. Was sich in der Theorie gut angehört hat, wurde in der Praxis nur bedingt umgesetzt. Statt aktuell 79 geplanter PVE sind es 40 geworden. Oberösterreich und die Steiermark sind hier sicher vorbildlicher gewesen, aber der Erfolg ist in Summe überschaubar. Auch und vor allem, weil die Interessenvertretung der Ärzt:innen, die Ärztekammer, PVE in bundesländerunterschiedlichen Abstufungen ablehnte, und das immer noch macht. Verbunden mit einem defacto Veto-recht gegen die Ausschreibung von Primärversorgungseinrichtungen eine schlechte Voraussetzung für deren Gründungen.

Wir ändern das, und erleichtern die Gründung. Indem wir anderen Gesundheitsberufen die Beteiligung an der Gründung ermöglichen, oder auch indem wir es in Zukunft statt bisher drei Allgemeinmediziner:innen bereits zwei Mediziner:innen ermöglichen, ein PVE zu gründen. Die Gründung und der Betrieb wird zusätzlich durch Mittel aus dem RRF (Recovery und Resilienz Fund) der EU gefördert, womit das wirtschaftliche Risiko verkleinert wird. PVE sind zudem auf möglichst große Interdisziplinarität, auf interprofessionelles Arbeiten der Gesundheitsberufe und auf teamwork ausgelegt – alles drei wichtige Aspekte für junge Mediziner:innen. Zudem definieren wir Primärversorgung neu: in Zukunft können auch Kinder- und Jugendärzt:innen bzw. Gynäkolog:innen (Mit)Gründer:innen sein. Und: keine Berufsgruppe wird in Zukunft mehr ein Vetorecht haben. Das einzige, was in Zukunft zählt ist der Bedarf der Patient:innen.

Das Ziel ist ein ambitioniertes, denn Johannes Rauch will damit 120 PVE gründen lassen. Gerade für Kommunen ab 4.000 Einwohner:innen bieten diese Ordinationsformen eine echte Zukunftsvision in Sachen bessere Versorgung der Bevölkerung. Sie verbinden den Anspruch der Mediziner:innen und der anderen Gesundheitsberufe, sie ermöglichen einen deutlich geregelteren Arbeitsalltag, und vor allem bieten sie mit längeren Öffnungszeiten, einem deutlichen Mehr an Angeboten und umfangreicherer Versorgung den Patient:innen echte Vorteile. Sind sie deshalb ein Wundermittel im Kampf gegen die Mehrklassenmedizin? Nein, aber ein wichtiger Bestandteil, ein großer Mosaikstein. Vor allem aber bieten PVE eine echte Chance für Gemeinden wie Gallneukirchen, Engerwitzdorf oder Ottensheim für eine langfristig bessere Versorgung.

Die Studie der MedUni Graz kann unter https://allgemeinmedizin.medunigraz.at/frontend/user_upload/OEs/institute/allgemeinmedizin/pdf/berichte/2017/IAMEV_BMotiv-AM_final.pdf nachgelesen werden.

Der Pionier der oö PVE ist übrigens im Mühlviertel, in Haslach zuhause. Dr. Rebahndl führt dort bereits seit Jahren eines der ersten und innovativsten PVE.

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