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04.06.2025 Allgemein

Per Zug durch Eu­ro­pa: die etwas an­de­re Rei­se­art

Zugreisen werden seit einiger Zeit wieder beliebter. Im Gegensatz zum Begriff Flugscham, der die letzten Jahre vermehrt aufgekommen ist, hat sich der schwedische Journalist Emanuel Karlsten den Begriff „Zugstolz“ (schwedisch: tågskryt) ausgedacht. Und wenn man mit Zugreiseenthusiast:innen spricht, trifft der eigentlich ganz gut.

 

Hier kann und will ich mich auch gar nicht ausnehmen. Ich bin gerade von einem Städte- und Meerestrip aus Norddeutschland zurückgekommen und habe dabei knapp 2100km in öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt.

 

Der Haken an der Sache ist aber leider, dass Zugreisen oft nicht so einfach gebucht werden können, wie reguläre Pauschalreisen oder Flüge. Vor allem wenn die Reise durch mehrere Länder gehen soll.

Deshalb möchte ich diese Ausgabe des Newsletters nutzen und ein paar Strecken vorstellen, die von Bad Ischl aus sehr gut machbar sind, und auch einige Tipps mit auf den Weg geben.

 

Starten wir in den Norden: tagsüber gut erreichbar sind die großen deutschen Städte wie Hamburg oder Berlin (München oder Nürnberg sowieso). Am einfachsten erst mit dem 150er nach Salzburg, weiter mit dem Zug nach München und von dort aus per ICE. Hamburg und Berlin lassen sich auch von Linz aus direkt erreichen, aber mit späteren Ankünften am Ziel.

 

Natürlich dauert diese Fahrt relativ lange, aber ein wichtiger Punkt für mich bei solchen Reisen ist, die Fahrt bereits als Teil des Erlebnisses zu sehen. Sobald man in München im ICE sitzt, kann man lesen, Film schauen (sofern man ein passendes Gerät dabei hat), in den Speisewagen essen gehen usw.

Wenn ihr erstmal in Hamburg angekommen seid, könnt ihr nicht nur die Stadt an sich erkunden, per Regionalzug sind auch Tagesausflüge an die Nord- und Ostsee einfach möglich. Zum Beispiel nach Cuxhaven oder Travemünde, die sind vom Hamburger Hauptbahnhof direkt angebunden (gut, Cuxhaven erst in ca einem Monat wieder). Auch Lübeck als Zentrum der Hanse, mit seiner wunderbaren Altstadt, oder in Österreich unbekanntere Orte wie Stade oder Lüneburg kann man so ideal erkunden.

 

Um potentiell den besten Preis zu bekommen, lohnt es sich sowohl auf der Seite der ÖBB als auch auf der Seite der DB zu schauen und zu vergleichen. Je nachdem wann man bucht, gibt es auf der einen oder der anderen Seite noch Sparschienentickets (bei der DB dann Supersparpreis oder Sparpreis).

 

In den Süden lassen sich Maribor und Ljubljana über Graz gut erreichen. Wie mir gesagt wurde auch mit einem fantastischen Speisewagen. Über Salzburg und Innsbruck findet man auch Anschluss an den Railjet 83, der von Innsbruck aus über den Brenner nach Verona, Bologna und über Rimini bis Ancona fährt. Von Verona aus lässt sich zum Beispiel Peschiera del Garda gut erreichen, aber auch Venedig. Für diese Fahrt muss man aber früh aufstehen und schon um 6:46 am Ischler Bahnhof starten. Dafür gibt es dann Abendessen an der Adria.

 

Die Alternative, über die in den letzten Jahren wieder vermehrt geredet wird ist der Nachtzug. Die Nightjets der ÖBB bieten wunderbare Möglichkeiten aber auch einige Fallstricke.

Wenn man sich nicht sicher ist, wo man hinwill, kann man einfach auf www.nightjet.com gehen, beim Feld VON zB Salzburg eingeben und bekommen beim Feld NACH nur noch die Orte angezeigt, die direkt angefahren werden können. Hier lohnt es sich etwas herum zu probieren ob Salzburg, Linz oder Wien am besten geeignet ist. Bei meiner letzten Fahrt fuhr ich von Hamburg nach Wels, weil ich mir so den Umweg über Linz sparen konnte (Salzburg ist hier nicht möglich). Über Attnang ging es dann wieder nach Bad Ischl.

 

So bequem die Reise im Nachtzug sein kann, gibt es ein paar Punkte, die ihr beachten solltet:

  1.       Je nach Ziel sind die Tickets sehr begehrt. Und die ÖBB nutzt dynamic pricing (also je mehr Nachfrage, desto teurer). Auf den meisten Strecken werden die Tickets 180 Tage vorher frei geschalten. Wenn ihr die Möglichkeit habt soweit nach vorne zu planen lässt sich hier viel sparen. Auf einigen Strecken (zum Beispiel nach Paris) werden die Tickets erst einiges später zum Verkauf freigegeben weil die Trassen in Frankreich erst sehr spät freigegeben werden.
  2.       Es sind aktuell 2 Generationen der Nightjets unterwegs: die neue Generation läuft im Moment auf den Strecken Innsbruck/Wien – Hamburg, Wien – Rom (ab Mitte Juli dann auch wieder München/Salzburg – Rom) und Innsbruck/Wien – Amsterdam. Auf den anderen Strecken sind ältere Garnituren unterwegs.
  3.       In den älteren Garnituren gibt es Sitzwagen in 6er Abteilen, Liegewagen in 4er oder 6er Belegung und Schlafwagen in 1-3er Belegung mit oder ohne eigenem Bad mit WC und Dusche. Ihr könnt einzelne Plätze buchen und euch dann mit anderen Reisenden teilen oder ganze Abteile buchen. Im Liegewagen gibt es ein rudimentäres Frühstück, im Schlafwagen ist es schon üppiger (außerdem bekommt ihr dort Nightjet-Patschen, die nutze ich als Gästepatschen). Duschen gibt es im Schlafwagen als Gemeinschaftsdusche oder im Schlafwagen-Deluxe Abteil privat im Abteil.
  4.       Die neuen Nightjets haben die Sitze in einem Großraumwagen, sie lassen sich auch nur sehr wenig neigen. Alternativ gibt es die neuen Minikapseln, die quasi ein Liegewagenabteil nur für 1 Person sind, Liegewagenabteile für bis zu 4 Personen und 2 Kategorien Schlafwagen für je 1-2 Personen. Die Schlafwagenabteile haben alle eine eigene Toilette mit Duschmöglichkeit, die Abteile Comfort Plus auch eine abgetrennte Duschkabine. Interessant sind auf alle Fälle die Kapseln. Sie sind größer als man im ersten Moment annimmt. Bucht aber auf alle Fälle eher die unteren Kapseln, vor allem aus 2 Gründen: ihr könnt am Fußende bequemer sitzen und unter der Matratze befindet sich ein zusätzliches Staufach. So könnt ihr 2 Gepäckstücke in Handgepäcksgröße verstauen anstelle nur einem. Wenn ihr größeres Gepäck benötigt, nehmt einen Hartschalenkoffer, den könnt ihr im Sitzwagen mit der Zugangskarte der Kapsel anschließen. Und noch ein Tipp: nehmt irgendeine Form Zahnputzbecher mit, ihr werdet sehen warum.
  5.       Plant bei Umstiegen genügend Puffer mit ein. Nachtzüge werden oft nachrangig hinter dem Güterverkehr behandelt und sind deshalb häufig später am Ziel. Wenn ihr das einplant habt ihr im schlimmsten Fall etwas Zeit um euch ein Zwischenziel anzusehen. Im Gegensatz zu Flughäfen sind die Bahnhöfe ja meist sehr zentral.

Wenn ihr weitere Strecken sucht, gibt es noch wunderbare Möglichkeiten wie den Euronight Chopin über Salzburg/Linz/Wien nach Krakau oder Warschau. Oder den nur im Sommer betriebenen Zug von Wien nach Split.

 

Und kombiniert sind noch viel abenteuerliche Strecken möglich: nehmt den Nightjet nach Paris, genießt dort noch den Vormittag und ein gutes Mittagessen (auch als Puffer für Verspätungen) und anschließend geht es durch den Kanaltunnel per Eurostar nach London. Zurück lässt sich das auch über Brüssel oder Amsterdam lösen. So könnt ihr mit einer Reise gleich 3 europäische Hauptstädte besuchen.

Für aufwendigere Planungen findet ihr sehr detaillierte Informationen auf www.seat61.com (hier gäbe es sogar eine genaue Anleitung wie man von London nach Hallstatt kommt).

Und wenn ihr noch Inspiration sucht, schaut euch die Zugpost von Sebastian Wilken an www.zugpost.org

 

Ich wünsche euch viel Spass bei euren Reisen.

 

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