Was bedeutet es für mich, als Schwerhörige älter zu werden
Beim Schreiben eines Artikels über die Grüne Generation + Bezirk Perg, dachte ich darüber nach, was es für mich bedeutet, als ehemals gehörloses Kind und jetzt als schwerhörige Frau älter bzw. alt zu werden.
Als Kind übte ich vor dem Spiegel und durch Erspüren der Stimmvibration mit der Hand am Kinn einzelne Buchstaben auszusprechen. Mit Hilfe von Bildern und dem Zeichnen von Gegenständen und dazugeschriebenen Wörtern lernte ich reden.
Das Lippenablesen und die Mimik waren für mich eine wichtige Unterstützung zur Kommunikation. Erst später lernte ich mit Hörgeräten differenziert zu hören.
Dank dessen, dass meine Mutter mit mir konsequent das Sprachverständnis trainierte, schaffte ich eine „normale“ Schule und später die Externistenmatura.
Nach meiner Ergotherapie Ausbildung heiratete ich und bekam drei Kinder.
Mein Mann hat mich in meiner Schwerhörigkeit liebevoll unterstützt, was keine Selbstverständlichkeit ist. Vor einigen Jahren hat mich der Schicksalsschlag getroffen, mein geliebter Mann ist an einer schweren Krankheit verstorben.
Nachdem ich meine Ergotherapiepraxis aufgelöst habe und nach Mauthausen gezogen bin, hat für mich eine neue Lebensphase als alleinstehende und ältere Frau begonnen.
Mit der Zeit genieße ich dieses Leben immer mehr.
Nun muss ich nicht mehr die große Verantwortung für die Kindererziehung und das Familienleben tragen. Es fällt der Druck weg, mich im Berufsleben bewähren zu müssen.
Eine gewisse Gelassenheit stellt sich ein, und ich kann vieles mit Humor nehmen.
Der Kontakt zu meinen Kindern und Enkelkindern macht mir Freude.
Es ist einfach schön, eine neue Generation beim Heranwachsen zu erleben.
Jetzt ergibt sich viel mehr Zeit für meine Hobbys, fürs Wandern und fürs Reisen.
Die Gedanken der Grünen Mauthausens sprechen mich sehr an, und ich engagiere mich im Hintergrund bei unseren Aktivitäten.
Nach wie vor ist es aber für mich schwierig, bei Veranstaltungen, wo es viel Hintergrund-geräusche gibt, Gespräche mitzuverfolgen. Da ist die Teilhabe eingeschränkt.
Und ich kann gut nachfühlen, wie es Leuten damit geht, wenn sie im Alter schwerhörig werden, und sie sich an die Hörgeräte gewöhnen müssen.
Im Umkreis erlebe ich auch, dass es einigen älteren Menschen nicht gut geht, sei es gesundheitlich, weil die Bewegungsfähigkeit eingeschränkt ist, aus psychischen Gründen oder auch, weil die geistigen Fähigkeiten nachlassen. Hier wird das Altwerden mühsam.
Es gibt Unterstützung durch mobile Betreuung, gezielte Therapien, Betreubares Wohnen, Seniorenheime und Pflegehilfe. Aber ich bezweifle, dass das genügt. Die Gesellschaft wird immer älter und da ist die Politik gefragt, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen.
Die wachsenden Umweltprobleme, die Klimakrise und die Kriege erfüllen mich mit Sorge, auch im Hinblick auf die künftige Generation. Und zugleich ist in mir die Hoffnung, dass rechtzeitig Gegenkräfte entstehen, die diese Probleme angehen und bewältigen.