Kinderbetreuuung: Frauen brauchen Chancen statt Vorwürfe
Oberösterreich feiert sich gern als „Kinderland“ — in der Realität bleiben Eltern und im großen Ausmaß vor allem Frauen Bittsteller:innen um verlässliche Betreuung ihrer Kinder. Während in Wien, Vorarlberg und anderen Ländern der Ausbau deutlich vorangetrieben wird, bleibt Oberösterreich weit hinter dem zurück, was für faire Erwerbschancen von Müttern und Vätern nötig ist. Hierzulande fehlen flächendeckende, job-kompatible Plätze, ein verlässlicher Rechtsanspruch und eine frei zugängliche Nachmittagsbetreuung. Das hat direkte Folgen für die Erwerbsbeteiligung: Die hohe Teilzeitquote in Oberösterreich schlichtweg die Folge fehlender Betreuungsinfrastruktur.
Alltägliche Herausforderungen und Schwierigkeiten für unzählige Familien, oder wie es Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer nennt: Lifestyle. Denn anstatt konkrete Lösungsansätze und Verbesserungsvorschläge aufzuzeigen, liefert BM Hattmannsdorfer lieber launige Pointen für Zeitungs-Schlagzeilen. „Minister Hattmannsdorfers fragwürdiger Zugang geht völlig an der Realität vieler Frauen vorbei. Teilzeit ist für viele Frauen keine freiwillige Entscheidung, sondern reine Notwendigkeit. Wer dann Vollzeit fordert, aber Betreuungsplätze, Öffnungszeiten und Rechtsansprüche verweigert, betreibt Ideologie statt Politik“, reagiert Landessprecher LR Stefan Kaineder.
„Dass Oberösterreich bei der Teilzeitquote ganz vorn und bei der Kinderbetreuung ganz hinten liegt, hat schon seinen Zusammenhang. Das war schon so als Minister Hattmannsdorfer noch Teil der Oö. Landesregierung war und er hätte jede Gelegenheit gehabt, für einen Ausbau der Kinderbetreuung einzutreten. Aus Wien bekommen die Frauen nun ihren angeblichen Teilzeit-Lifestyle ausgerichtet, hier im Land den Spuk vom Kinderland Nummer 1. Das ist eine Verhöhnung der tausenden Frauen, die Teilzeit arbeiten müssen, weil es schlicht keine verlässliche, ganztägige Betreuung gibt“, fordert die Grüne Frauen- und Wirtschaftssprecherin LAbg. Dagmar Engl deutlich mehr Realitätssinn und Tempo beim Ausbau der Kinderbetreuung.
Oberösterreich als bundesweites Schlusslicht
Mit einer Quote von 39,3 Prozent ist Oberösterreich bundesweit Schlusslicht bei der VIF-konformen (Vereinbarkeitsindikator für Familie und Beruf) Betreuung der 3 bis 5-Jährigen. Weiters zählt Oberösterreich mit 18,3 Prozent auch bei der schulischen Nachmittagsbetreuung zu den bundesweiten Schlusslichtern. Dazu gesellt sich der Umstand, dass eine sogenannte ganztägige Betreuung begrifflich irreführend ist, denn als solche gelten Institutionen bereits ab 6 Stunden täglichen Öffnungszeiten. Bring- und Abholzeiten weggerechnet geht sich auch das mit einer Vollzeitstelle schwer aus.
Engl: „Teilzeit ist kein Luxus, sondern für viele Frauen einfach Notwendigkeit. Weil es schlicht nicht anders geht. Die Debatte führen wir schon so lange und dann wird nicht das gemacht was nötig ist, sondern die angeblich legere Haltung der Teilzeit-Arbeitenden zum Thema. Kinderbetreuung und schulische Nachmittagsbetreuung ausbauen, mit passenden Öffnungszeiten – das ist die einzige Antwort sowohl auf die Teilzeitproblematik als auch auf die aktuellen Mythen“.
Ein zweiter gewichtiger Aspekt, der Frauen in die Teilzeitarbeit drängt, ist die Pflege innerhalb der Familie. In OÖ wird die meiste Pflege älterer oder behinderter Menschen im familiären Umfeld erbracht. Zumeist durch weibliche Angehörige. Dass dies ihre Erwerbstätigkeit einschränkt, ist klar. Die Pflegenden reduzieren laut Eco Austria Studie die Arbeitszeit, gehen in Teilzeit, Altersteilzeit oder ganz aus dem Erwerbsleben. Dass sie später in den Job zurückkehren, ist sehr unwahrscheinlich. 20.700 Personen bzw. 9.200 Vollzeitäquivalente gehen so dem Arbeitsmarkt verloren.
„Auch in diesem Bereich besteht dringender Handlungsbedarf, um Frauen von ihren Betreuungspflichten zu entlasten und ihnen die realistische Möglichkeit zu geben, auch Vollzeit zu arbeiten“, fordert Dagmar Engl.
Wo bleiben soziale Gerechtigkeit und Bildungsreform?
Die Verantwortung dafür liegt auf mehreren Ebenen. Wenn auf Bundesebene keine verlässlichen Finanzrahmen, kein Rechtsanspruchsmodell und keine abgestimmten Ausbauprogramme vorgelegt werden, bleiben Ankündigungen wirkungslos. Die Sozialdemokratie steht hier in besonderer Verantwortung — und sie agiert bisher zu zögerlich.
„Als Teil der Bundesregierung hat die SPÖ in Budgetfragen und bei der Ausgestaltung von Rechtsansprüchen die Möglichkeit, echte Fortschritte durchzusetzen. Stattdessen beobachten wir ein Lavieren: Appelle an soziale Gerechtigkeit seitens sozialdemokratischer Spitzen bleiben oft hinter fiskalpolitischen Kompromissen zurück. Wenn die SPÖ ernst meint, Eltern die Rückkehr in den Beruf zu ermöglichen, dann muss sie das in Budgetverhandlungen und in Koalitionsabstimmungen unübersehbar machen — nicht in Sonntagsreden“, nimmt Landessprecher LR Stefan Kaineder auch die Bundes-SPÖ in die Pflicht. „Dann muss sich aber auch Finanzminister Marterbauer um eine ordentliche Finanzierung bemühen, während Justizministerin Sporrer die rechtlichen Rahmenbedingungen auf den Weg bringen muss“, ergänzt Kaineder.
So wie die SPÖ im Wahlkampf mit der Erzählung einer sozialen Gerechtigkeit herumgeschmissen hat, war es das große Bestreben der dritten Regierungspartei, den NEOS, die Bildung in Österreich von Grund auf zu reformieren. Gerade in Sachen Kinderbetreuung wäre dieser Reformwillen dringend von Nöten. Somit sollte auch Bildungsminister Wiederkehr dafür Sorge tragen, dass das Bildungssystem auf Schiene kommt. Dafür müssen wir bei den Kleinsten in unserer Gesellschaft beginnen.
Ausbau angehen statt ankündigen
„Gleichzeitig liegt es aber auch an Landesrätin Christine Haberlander, sich nicht mit Teilmaßnahmen und Kleinsterfolgen zufriedenzugeben. Das so oft genannte „Bildungsland Nummer 1“ liegt in weiter Ferne, wie ein Blick in die Statistik, vor allem aber in die Lebensrealität der Eltern und Kinder in Oberösterreich zeigt“, so Kaineder.
Erst diese Woche hat eine parlamentarische Anfrage der Grünen zur 15a Vereinbarung Elementarpädagogik ein wesentliches Versäumnis der Bundesländer ans Licht gebracht. Die Förderung für das verpflichtende Kindergarten-Jahr für Fünf-jährige wurde zwar zur Gänze genutzt. Aber fast ein Viertel der Gelder für den Ausbau der Kinderbetreuung und die Sprachförderung hat Oberösterreich nicht abgeholt. Konkret hat Oberösterreich die Mittel für den Ausbau der Kinderbetreuung und für die Sprachförderung zu 24,2% (2022/23) und zu 23,3 % (2023/24) liegen gelassen.
Um diese Fördergelder abzuholen und die Entwicklungen der Gemeinden in Oberösterreich voranzutreiben, brauchen die Bürgermeister:innen in unserem Land Unterstützung. Die sollten sie eigentlich von den zuständigen Gemeindereferent:innen, LRin Langer-Weninger auf Seiten der ÖVP und LR Winkler auf Seiten der SPÖ, bekommen. Offensichtlich passiert das aber nicht in ausreichendem Maß oder man nimmt die Bedürfnisse der eigenen Gemeinden nicht ausreichend ernst. In beiden Fällen leiden die Gemeinden darunter und damit in weiterer Folge die Bürger:innen.
„Wer nur vom Ziel spricht, aber nicht zu laufen beginnt, wird weder den Sprint noch den Marathon als erster beenden. Klar ist: Bundes- und Landesregierung müssen dringend in die Gänge kommen und den Ausbau der Kinderbetreuung ernsthaft vorantreiben. Den Worten müssen jetzt Taten folgen“, fordert Stefan Kaineder.
„Die Frauen in ganz Österreich brauchen faire Chancen statt Vorwürfe. Ganz dringend ist das in Oberösterreich, wie die Zahlen zeigen. Kümmern wir uns um die Kinderbetreuung, hat das auch positive Auswirkungen auf die Teilzeitproblematik“, so Dagmar Engl.