"nützt nicht-schützt nicht-Novelle": Versagen im Bodenschutz
Multifunktionswerkzeug Boden
Alleine die Begrifflichkeit macht deutlich: Boden ist Lebens-Grund-Lage. Wir leben und bewegen uns auf Boden. Aus fruchtbarem Boden wächst unsere Nahrung. Er ist die Produktionsgrundlage für die Landwirtschaft und gewährleistet unsere Ernährungssicherheit. Boden ist Wasserspeicher, schützt vor Hochwasser ebenso wie vor den Folgen von Dürre. Er schützt durch seine Filterfunktion das Grundwasser. Boden speichert CO2 und hat damit eine extrem wichtige Rolle beim Klimaschutz. Und Boden ist Lebensraum für Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen. Ein gewichtiger Faktor für Nährstoffkreislauf und Biodiversität.
Erscheint uns Boden als Selbstverständlichkeit, ist sein Schutz tatsächlich jedoch eine Existenzfrage. Bilder von vernichtetem Boden ängstigen. Von verkarsteten, verkohlten, ausgebeuteten Flächen. Auch von Flächen, deren Böden unter Beton und Asphalt verschwunden und für immer verloren sind. Es ist in seiner ganzen Dramatik ein überall sichtbares Problem, das auch die Menschen in Österreich längst erkannt haben und gegen das sie Lösungen einfordern.
Die Bevölkerung hat längst erkannt
Laut jüngster Market-Umfrage für den WWF wollen 76 Prozent der österreichischen Bevölkerung strengere Gesetze und Maßnahmen gegen die Verbauung der Landschaft und den Bodenverbrauch. Rund 74 Prozent wünschen sich für den Bodenverbrauch eine verbindliche Obergrenze. Am meisten sorgt sich die Bevölkerung um den Verlust von wertvollen Lebensräumen für Tier- und Pflanzenarten. Über 40 Prozent um die Verstärkung von Überschwemmungen. Es folgen der Verlust fruchtbarer Äcker mit 34 Prozent und Folgen stärkerer Hitzewellen im Sommer mit 31 Prozent. Dass 66 Prozent der Befragten die derzeitigen Anstrengungen für nicht ausreichend hält, komplettiert den Auftrag an die Politik.
Oberösterreich, verbautes Land
Ganz besonders auch an die politisch Verantwortlichen in Oberösterreich. Einem Land der hemmungslos verbauten Böden. Fachmarktzentren an jeder Ortseinfahrt, Parkplätze inklusive, ausschweifende Kreisverkehre und schließlich der Fall Ohlsdorf als traurig-prämiertes Aushängeschild einer völlig verfehlten Bodenschutzpolitik.
Weniger als 60% der Landesfläche stehen als sogenannter Dauersiedlungsraum in Oberösterreich überhaupt potenziell für Landwirtschaft, Siedlung und Verkehr zur Verfügung. Davon ist grob ein Drittel besonders fruchtbarer und schützenswerter Boden.
Betrachtet man laut neuestem ÖROK-Monitoring den Zeitraum 2022-2025 so wurden in Oberösterreich rund 1,3 Hektar pro Tag an Flächen neu in Anspruch genommen. Ausgehend vom angestrebten Bundesziel von 2,5 Hektar pro Tag, beansprucht Oberösterreich damit alleine mehr als die Hälfte der Fläche. Im Jahr 2025 betrug die gesamte Flächeninanspruchnahme 1075 km2, um 14 km2 – das entspricht in etwa 2.000 Fußballfeldern – mehr als 2022. „In Anspruch genommene Flächen“ stehen für die land- und forstwirtschaftliche Produktion und als natürlicher Lebensraum nicht mehr zur Verfügung. Laut Oö. Bodeninformationsbericht 2025 sind rund die Hälfte der beanspruchten Flächen und damit 58.000 ha Boden versiegelt und damit verloren. Oberösterreich ist damit das Land der verbauten Böden. Einen wesentlichen Anteil daran hat das zahnlose Raumordnungsgesetz einer schwarz-blauen Koalition, die auch verpflichtende Bodenverbrauchsziele ablehnt. Effektiver Bodenschutz heißt damit, endlich für ein wirksames Raumordnungsgesetz zu sorgen und damit die Verbauung zu stoppen. Und es heißt, für ein wirkungsvolles Bodenschutzgesetz zu sorgen, um die Sicherung unserer Böden in allen Bereichen zu garantieren. Im Rahmen des kommenden Budgetlandtags wird die schwarz-blaue Landeskoalition nun ein neues Bodenschutz-Gesetz beschließen. Aber dieses bleibt nicht nur deutlich hinter Erwartungen und Erfordernissen zurück. Es reduziert darüber hinaus bisherige Transparenz-Standards.
Denn Schwarz-Blau:
Stampft Infos zu Boden und Bodenschutz ein
Künftig wird es weder Bodenbilanz, Bodeninformationsbericht noch Bodenentwicklungsprogramm geben. Sie werden nicht mehr erstellt und das, obwohl im Vorwort des diesjährigen Berichts die Rede von eben jenem als „starkes Fundament für den Bodenschutz“ ist. Begründet wird dies mit Entbürokratisierung, Deregulierung und Kosteneinsparung. Bei dieser Bedeutung dieser drei bewährten Bodenschutz-Instrumente ein schwerer Fehler.
– Die Bodenbilanz wurde alle drei Jahren erstellt. Sie zeigt die Widmung von Grundflächen im Sinne des Oö. Raumordnungsgesetzes, die Nutzung der als Grünland gewidmeten Grundflächen, die im Berichtszeitraum dem Grünland entzogenen Grundflächen und die der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung entzogenen Grundflächen.
– Der Bodeninformationsbericht wurde alle 5 Jahre erstellt, dem Landtag vorgelegt und auf der Homepage veröffentlicht. Er informierte über Bodenuntersuchungen, Maßnahmen und Erhebungen, Ergebnisse der Untersuchung auf Bodendauerbeobachtungsflächen und Bodenbilanz.
– Das Bodenentwicklungsprogramm musste auf Grundlage des Bodeninformationsberichts von der Landesregierung erstellt und dem Landtag vorgelegt werden. Es enthielt Maßnahmen zur Erhaltung des Bodens und zum Schutz oder zur Verbesserung der Bodengesundheit. Mit dem Entfall des Bodenentwicklungsprogramms fällt auch eine darin festgehaltene Zielausrichtung für den Bodenschutz.
ÖVP und FPÖ begründen diesen Info-Stopp mit Entbürokratisierung, Deregulierung, und Kosteneinsparung. Tatsächlich ist es ein massiver Rückschritt für den Bodenschutz. Die Folgen stehen in keiner Relation zum Nutzen. Eine zentrale Arbeitsgrundlage wird gestrichen. Eine zuverlässige Datenlage für effiziente Planungen und Maßnahmen wird es nicht mehr geben. Die Öffentlichkeit wird ausgeschlossen und der Bodenschutz gleitet ab in die Intransparenz. Dementsprechend massiv ist auch die Kritik nicht nur der Grünen, sondern unter anderem auch von OÖ-Umweltanwaltschaft, AK OÖ und Diözese Linz.
Effektiver Bodenschutz erfordert Zahlen und Daten. Darauf bewusst zu verzichten, bedeutet einen Blindflug ohne Ziel und Kontrolle. Effektiver Bodenschutz erfordert auch eine Überarbeitung des Raumordnungsgesetzes, das mit dem Bodenschutzgesetz eng verzahnt ist.
Gibt Minimal-Infos zum Pestizid-Einsatz
Werden Pflanzenschutzmittel verwendet, muss dies dokumentiert werden. Das EU-Recht gibt gesetzlich vor wie dies zu erfolgen hat. Schwarz-Blau beschränkt sich in der Novelle auf das absolute Mindestmaß, um dieser Verpflichtung irgendwie nachzukommen. Eine Verlängerung der Frist für die Verfolgungsverjährung bei Verstößen gegen die Anwendungsvorschriften von Pflanzenschutzmitteln auf fünf Jahre, wie in den Stellungnahmen gefordert, sucht man in der Novelle vergeblich.
Hat kein Interesse an einem zukunftstauglichen Gesetz
Ernst gemeinter präventiver Bodenschutz sieht anders aus, er hat auch die ganze breite Palette an Gefahren und Belastungen zu berücksichtigen, denen unser Boden immer heftiger ausgesetzt ist. Von Verdichtung, Erosion, Biodiversitätsverlust über stoffliche Bodenbelastungen bis zu Pestizidanwendung, Versauerung und Versalzung. Es fehlen Punkte die unerlässlich sind für ein zukunftsfähiges Bodenschutzgesetz. Das betrifft insbesondere den Schutz der Böden vor Versiegelung. Die Stellungnahme der OÖ. Umweltanwaltschaft zur Novelle ist dazu eindeutig. „Die Gesetzeslage zum Bodenschutz in OÖ weist Defizite auf hinsichtlich Regelungen betreffend Kompetenzüberschreitungen zur Raumordnung und zum Naturschutz. Es mangelt insbesondere an Regelungen zur nachhaltigen Flächennutzung und an der gesetzlichen Verpflichtung dem ausufernden Bodenverbrauch tatsächlich Einhalt zu gebieten. Das derzeitige Bodenschutzgesetz wird den heutigen ökologischen Anforderungen nicht gerecht“.
Der Grüne Landessprecher LR Stefan Kaineder:
„Unser wertvoller Boden ist mehr und mehr in Gefahr. Wertvolle Äcker verschwinden unter Beton und Asphalt. Fachmarktzentren an jeder Ortseinfahrt, Parkplätze inklusive, ausschweifende Kreisverkehre. Der Schandfleck Ohlsdorf gilt mittlerweile als traurig-prämiertes Aushängeschild einer völlig verfehlten Bodenschutzpolitik, ein betonierter Leerstand auf Kosten der Natur. Beispiele für ausufernde Bodenvernichtung finden sich in OÖ leider viel zu viele. Wir haben es politisch mit einem Versagen von Raumordnung und Bodenschutz zu tun. So kann es nicht weitergehen. Unsere fruchtbaren Böden müssen besonders geschützt werden, bereits vor Umwidmung. Und das müsste nicht nur in einem zukunftstauglichen Bodenschutzgesetz stehen, sondern auch in einem wirkungsvollen Raumordnungsgesetz. Bodenvernichtung à la Oberösterreich ist endlich rechtlich zu unterbinden, der Bodenvergeudung muss ein Riegel vorgeschoben werden. Aber das bleibt Schwarz-Blau schuldig. Die Stellungnahmen der Fachexpert:innen wurden ignoriert, nicht aufgegriffen. Auch diese neue Bodenschutznovelle hat den Namen nicht verdient. Es wird neuerlich offensichtlich, dass diese Koalition weder Bedeutung, Verwundbarkeit noch die begrenzte Verfügbarkeit von Boden erkennt.“
Der Grüne Bodenschutzsprecher LAbg. Rudi Hemetsberger:
„Konsequenter Bodenschutz schaut anders aus. Unser wertvoller Boden wird von vielen Interessen und Einflüssen bedrängt und bedroht. Darauf hätte eine verantwortungsbewusste, weitsichtige Politik mit der nötigen Aufmerksamkeit, den richtigen Maßnahmen und eben mit einem umfassenden und wirkungsvollen Gesetzeswerk zu reagieren. Nichts davon liefert diese Koalition, die Boden offenbar weiter als Selbstverständlichkeit sieht. Hochwässer, Vermurungen, Dürre, Artensterben und Asphaltwüsten werden dann dir teure Erkenntnis liefern, dass dem nicht so ist. Ein wirkungsvolles Bodenschutzgesetz – eng verzahnt mit einem neuen Raumordnungsgesetz für Oberösterreich muss kommen. Mit ihrem legeren Zugang zur Ressource Boden wird diese Koalition das aber nicht hinbekommen“.
Die Grünen fordern die Schwarz/Blaue Landesregierung auf:
- Die Novelle so anzupassen, dass ein zukunftsfähiges Bodenschutzgesetz entsteht. Eine umfassende Weiterentwicklung ist notwendig, um den ökologischen Anforderungen gerecht zu werden. Berücksichtigt werden müssen Themen wie Versiegelung, Erosion, Verdichtung, Bodenbiodiversität, Kohlenstoffspeicherung, organische Schadstoffe, Pestizidanwendung und nachhaltige Bodennutzung.
- Die Stellungnahmen der Fachexpert:innen aus dem Begutachtungsverfahren dürfen nicht ignoriert werden und sind zu berücksichtigen:
- Bodenschutzgebiete verankern (Schutzstatus für besondere Böden)
- Gesetzlich geregelte Berichtslegung und Monitoring beibehalten – konkret Beibehaltung Vorlage
- Bodenbilanz und Bodeninformationsbericht sowie Bodenentwicklungsprogramm, um Datenerfassung, Transparenz und Veröffentlichung sicherzustellen.
- Beteiligungsrechte bzw. Anhörungsrechte von Fachexpertise sicherstellen
- Bodenkundliche Baubegleitung bei Bauvorhaben verankern
- Förderungen für den Erhalt der Biodiversität im Boden und humusfördernde Maßnahmen vorsehen.
- Verfolgungsverjährungsfrist ausdehnen: Verfolgungsverjährung bzw. Strafbarkeitsverjährung bei Verstößen auf 5 Jahre zu verlängern (Pflanzenschutzmittelausbringung und in Folge Grundwasserverunreinigung) – es vergehen einige Jahre, bis ein Verstoß nachgewiesen kann, dann ist er aber häufig nicht mehr strafbar.
- Konkrete Maßnahmen zur systematischen Erhebung und Reduktion von Mikroplastik im Boden
- Kompensationspflicht für Eingriffe in das Schutzgut Boden
- Regelungen des oö Bodenschutzgesetzes sollen auch auf forstwirtschaftlich genutzte Böden ausgedehnt werden.