Welser Sozialpolitik im Sinkflug
Rechnungsabschluss offenbart erschreckende Versäumnisse in der Sozialpolitik
Die Gesellschaft leidet. Bei den Sozialberatungsstellen in der Stadt gibt es so viele Anfragen wie noch nie. Darunter befinden sich viele Menschen, die zum ersten Mal um Hilfe ansuchen. Immer größere Gruppen straucheln und können sich das Leben nicht mehr leisten. Eines ist klar: Niemand ist gerne arm. Um Hilfe zu bitten ist in unserer aufpolierten Glitzerwelt, wo Armut als persönlicher Makel gilt, mit viel Scham besetzt und braucht Überwindung. Armut ist aber kein persönliches Versagen, sondern hat zumeist strukturelle Gründe oder wird vererbt.
Die Politik muss handeln
Das Thema Armutsbekämpfung ist uns als Grüne Fraktion ein sehr wichtiges Anliegen. Wir fordern, dass die Stadt ihre finanziellen Möglichkeiten tatsächlich nutzt und den Menschen professionelle Hilfe zukommen lässt. Dazu braucht es Anstrengungen und neue Ideen. Neben Bund und Land sehen wir die Stadt in einer besonderen Verantwortung, da hier die Menschen ihre erste Anlaufstelle finden und die Lokalpolitik die Situation vor Ort am besten kennt bzw. kennen sollte. Beispielsweise könnte ein Krisenfonds eingerichtet werden, wie es ihn unter SP-Bürgermeistern bereits gegeben hat.
Das Budget ist eine politische Willenserklärung und wird vom Gemeinderat beschlossen. Die Politik macht Zielvorgaben und stattet die Bereiche der Verwaltung mit finanziellen Mitteln aus. Die Verwaltung stellt den wahrgenommenen Bedarf fest und argumentiert mit Sachkenntnis. Das Budget ist letztlich ein Ergebnis von Verhandlungen.
Armutsbekämpfung
Die FPÖ unter Bürgermeister Rabl hat bei der Budgetpräsentation im Dezember 2021 erklärt, Wels „zukunftsfit“ und zur Stadt mit der höchsten Lebensqualität machen zu wollen. Der Gemeinderat hat das Budget 2022/2023 einstimmig beschlossen. Als Grüne Fraktion haben wir zugestimmt unter dem Vorbehalt, uns das Thema Armutsbekämpfung genau anzusehen und auf die konkrete Umsetzung zu achten. Und das tun wir.
Im Finanz- und Präsidialausschuss hat unsere Fraktion gefordert, dass das Thema Armutsbekämpfung in die Agenden der Stadt aufgenommen wird. Nach anfänglicher Skepsis hat der Bürgermeister eingelenkt und anerkannt, dass neben Bund und Land auch die Stadt Verantwortung trägt, etwas gegen die zunehmende Armut zu tun. Das ist der richtige Weg und notwendig, um Wels zukunftsfit zu machen. Ein „Welser Wohn- und Energiekostenbonus“ wurde im Frühling 2023 einstimmig beschlossen. Besonders wichtig war uns, dass unsere ausländischen Mitbürger:innen in den Bezieher:innenkreis mit aufgenommen werden. Nicht zuletzt war auch in den Presseaussendungen der Stadt zu lesen, dass Wels die Bekämpfung von Armut ein Anliegen ist. Es ist uns wichtig, dass den Worten Taten folgen.
Der Rechnungsabschluss 2022
Mit dem im Juli 2023 dem Gemeinderat vorgelegten Rechnungsabschluss liegt nun ein Leistungsbericht vor.
Fazit: Die Stadt Wels ist nach wie vor wohlhabend und konnte sich in den letzten Jahren über ein jährliches Stadtbudget in der Höhe von zwischen 240 und 260 Millionen Euro freuen. Erfreulich ist, dass es 2022 bei den liquiden Mitteln einen Zugang in der Höhe von ca. 30 Mio. Euro gibt.
Sieht man sich die Bereiche des Rechnungsabschlusses genauer an, so fällt allerdings auf, dass bei den Ausgaben in manchen Bereichen bei einer überwiegenden Zahl der Konten ein Minus im Vergleich zum Budget steht. Besonders dort, wo es um soziale Belange geht. Dies verlangt nach einer Erklärung.
Sozial- und Jugendpolitik liegt am Boden
Der im Juli 2023 vorgelegte Rechnungsabschluss für das Jahr 2022 offenbart einen dramatischen Rückgang im Sozialbereich. Während beim gesamten Betriebsergebnis ein dickes Plus von knapp 40 Millionen steht, sind die Ausgaben im Sozialbereich in vielen Bereichen weit hinter dem Ziel zurückgeblieben. In Summe wurde im Bereichsbudget „Soziales und Wohnbauförderungen“ um 5,7 Mio. Euro (!) weniger ausgegeben als budgetiert.
Fazit: Die Stadt hat viel Geld zur Verfügung, aber wenig Sozialleistung erbracht. Die budgetierten Mittel sind nicht bei den Menschen angekommen.
Konkrete Beispiele
Bereichsbudget „Soziale Wohlfahrt und Wohnbauförderung“. Die Differenz beim Nettoergebnis beläuft sich auf: 4,3 Mio. Euro. Bei den Aufwendungen beläuft sich das Minus auf stolze 5,7 Mio. Euro.
Beispielsweise wurden bei der Sozialhilfe um ca. 2,7 Mio. Euro weniger aufgewendet als budgetiert. Bei der Allgemeinen Sozialhilfe gibt es 33 Konten und bei 27 Konten gibt es im Vergleich zum Voranschlag ein Minus. Im Voranschlag 2022 waren 29.193.700,00 Euro budgetiert. Es ist jedoch lediglich zu Leistungen in der Höhe von 26.449.076,99 Euro gekommen. Das Minus beläuft sich bei der Sozialhilfe auf: 2.744.623,01 Euro.
Beispiel Konto Heimhilfe: Im Voranschlag 2022 waren 463.000,00 Euro budgetiert. Abgerechnet wurden lediglich 422.500,00. Es ist zu Minderausgaben von 40.499,76 Euro gekommen. Mit diesem Geld hätten beispielsweise viele Alleinerziehende mit der dringend notwendigen Familienhilfe unterstützt werden können, für die die Kinder- und Jugendhilfe freiwillig die Kosten übernehmen könnte und dies offensichtlich viel zu selten getan hat.
Was passiert mit dem fehlenden Geld
Als Grüne haben wir im Gemeinderat mehrfach nachgefragt, wie diese Fehlbeträge zu erklären sind. Leider haben die zuständigen Referent:innen gar nicht geantwortet – z. B. bei unserer Anfrage zur Ausführungspraxis der Sozialhilfe – oder hanebüchene Antworten gegeben, wie beispielsweise, dass der Bedarf nicht vorhanden sei(?!).
Eine wahrscheinlichere Erklärung ist, dass mit dem von der Bürgermeisterpartei verordneten Sparkurs die Verwaltung unter Druck geraten ist und immer weniger ausgibt. Beispielsweise im Bereich der freiwilligen Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe oder bei der Sozialhilfe sowie im Jugendbereich, wo es vor allem ein Problem mit den Arbeitsbedingungen gibt und das Personal davonläuft.
Die Rechnung bezahlen die Menschen, für die die Lebensqualität in der Stadt weiter sinkt. Die zunehmenden sozialen Probleme in der Stadt stehen im Zusammenhang mit einer verfehlten FPÖ-Finanzpolitik und verschärfen sich dadurch.
Die FPÖ schiebt das Geld lieber den Baulöwen und Marketingagenturen in den Rachen, als tatsächlich den Menschen zu helfen.
Wels braucht deshalb dringend einen Richtungswechsel in der Finanzpolitik, wenn wir die Stadt nachhaltig verbessern wollen.