Fällt der freie Journalismus, fällt das Land
Freie, kritische und unabhängige Medien sind eine Säule unseres demokratischen Rechtsstaates und unserer liberalen, offenen Gesellschaft. So oft betont, als unerschütterlich bezeichnet, bekommt diese Selbstverständlichkeit Risse. Denn nun sorgt sich ein Land um seine Medien. Es fürchtet um die Medienfreiheit, die Vielfalt, die Objektivität eines kritischen, freien Journalismus.
Der Grund ist sattsam bekannt. Mit einer dominierenden FPÖ und einer Kanzlerschaft Kickls drohen Eingriff, Umbruch und Gewichtsverlagerung in der heimischen Medienlandschaft. Die klaren Anzeichen dafür sind:
- die bisher bekannten oder zumindest kolportierten Vorhaben der FPÖ im Rahmen der laufenden Regierungsverhandlungen
- die Wortmeldungen, Ankündigungen, Wahlversprechen der vergangenen Jahre, die die Abneigung der FPÖ gegenüber der etablierten Medienlandschaft zeigen. Den Systemmedien, wie die FPÖ zu sagen pflegt.
- das parallele Medienuniversum, das sich die FPÖ seit Jahren gezimmert und zum machtvollen Instrument der eigenen Propaganda aufgebaut hat. Weit abseits von Fakten und Objektivität sowie weit rechts an den Grenzen unserer liberalen Demokratie.
Die FPÖ lässt keinen Zweifel daran, dass sie die heimische Medienlandschaft in ihrem Sinne umzubauen gedenkt. Aus dem Bundeskanzleramt ist Orbans Weg der illiberalen Demokratie für Herbert Kickl die Blaupause. Freie Medien und kritischer Journalismus sind in dessen Welt Störfaktoren und Feinde.
Mit fatalen Folgen für Österreich, die man bislang nur erahnen kann. Die Politik abseits der FPÖ ist ebenso alarmiert wie die gesamte etablierte Medienbranche und immer größere Teile der Gesellschaft. Sie hat sich zu Widerstand gegen solche Bestrebungen zu formieren.
In erster Linie hat es aber die ÖVP in der Hand, diesen verheerenden medialen Umbau zu verhindern.
Niemals, um keinen Preis darf sie den Medienplänen der FPÖ zustimmen. Das ist nicht nur Appell, sondern vehemente Forderung.
- Sie hat jegliche Versuche und Bestrebungen einen freien, unabhängigen, Fakten und Objektivität verpflichteten Journalismus zu schwächen, zu verhindern.
- Sie hat sich allen Versuchen, Druck auf und Kontrolle über die heimischen Medien und deren Berichterstattung zu erlangen, vehement entgegenzustellen
- Sie hat einen Kahlschlag beim ORF zu verhindern und das derzeitige Kanal- und Senderangebot zu garantieren.
- Sie hat mit der Beibehaltung der Haushaltsabgabe eine gesicherte öffentliche Finanzierung eines unabhängigen des ORF zu gewährleisten
- Sie hat für eine Medienförderung zu sorgen die sich an den Qualitätskriterien für professionellen, freien und unabhängigen Journalismus orientiert und den Bestand der Qualitätsmedien in Österreich sicherstellt
Die Forderungen sind höchst berechtigt. Denn die Bedrohungen sind real.
Medienhäuser in Europa sind finanziell enorm unter Druck, nicht erst seit die großen Digitalkonzerne wie Google und Meta im großen Stil Werbegelder absaugen. Wer hier die Daumenschrauben ansetzt, verfolgt eine demokratiefeindliche Agenda
Feindbild ORF:
Ihm droht eine markante Verzwergung. ORF 1 könnte geschlossen oder mit ORF 3 zusammengelegt werden. FM4 droht das Aus, Ö3 die Privatisierung. Die Landesstudios sollen stark verkleinert werden und die in der blauen Diktion als “Zwangsgebühr”, bezeichnete Haushaltsabgabe soll von einer Budgetfinanzierung abgelöst werden.
Die Haushaltsabgabe macht den ORF unabhängig. Die FPÖ will den ORF an die kurze Budget-Leine nehmen und den Geldhahn als stetiges Druckmittel einsetzen. FPÖ-Stiftungsrat Westenthaler will auch Köpfe an der Spitze des ORF rollen sehen.
Der ORF wie wir ihn kennen, wäre Geschichte. Medienexpert:innen warnen vor den Folgen für den Journalismus an sich, die Berichterstattung aus den Regionen für die gesamte Medienbranche – von der Filmwirtschaft bis zur Werbeindustrie. Zudem würde vor allem die Tech-Riesen profitieren, wenn ein öffentlich- rechtlicher Rundfunk sein Programm zurückfahre.
Dass es um nichts anderes geht, als darum den ORF ans Gängelband zu bekommen, belegt auch die Farce, dass Blau-Schwarz zuerst einen Budgetnotstand ausruft und Zukunftsprogramme wie den Klimaschutz radikal kaputtsparen will. Um dann gleichzeitig mit einer Leichtigkeit den ORF aus dem Budget finanzieren zu wollen.
Feindbild Systemmedien:
„Die Medienlandschaft in Österreich ist durch Einseitigkeit und Unausgewogenheit geprägt. Alternative Medien werden als rechtsextrem oder Verschwörungstheoretiker diffamiert und von Fördergeldern abgeschnitten.” Und: „Medien müssen vom Staat gleich behandelt werden.“ Auszüge aus dem FPÖ-Wahlkampfprogramm: Die Konsequenz dieser viele Jahre lang gepflegten blauen Sichtweise: Man plant die Medienförderung neu aufzustellen. Für die etablierten Medien heißt dies bei gleich groß bleibendem Kuchen kleinere Stücke, weniger Fördermittel, steigende Existenzsorgen und die Furcht bei missliebiger Berichterstattung weitere Kürzungen zu riskieren.
Freunde in Bild, Schrift und Ton:
Die FPÖ hat sich eine sogenannte “alternativen” Medienlandschaft erschaffen. Gestartet mit der FPÖ-Seite unzensuriert.at im Jahr 2009 ist das Netzwerk aus etlichen Portalen massiv angewachsen. Das Internet-TV-Magazin FPÖ TV mittlerweile mehr als 220.000 Follower auf Youtube. (Standard) Geht es nach der FPÖ sollen künftig “sämtliche Medien unabhängig von ideologischen Festlegungen” gefördert werden. Medien wie “RTV” und “AUF1” wären dann förderungswürdig.
Oberösterreich ist Hotspot der alternativen Medien:
Der Onlinesender „AUF1“ mit Sitz in Linz, wird im Verfassungsschutzbericht als rechtsextremistisch eingestuft. Dessen Gründer war einst im mittlerweile aufgelösten rechtsextremen “Bund freier Jugend” tätig. Auch der Garstener Regionalsender “RTV” war während Corona als Sprachrohr der „Querdenker-Szene“ bekannt. Gleiches gilt für die Website Report24 eine Zeitlang an gleicher Adresse in Linz ansässig, wo auch Auf 1 und die rechtsextreme Plattform “Info-Direkt” registriert waren (Standard). Inseriert haben blaue OÖ. Regierungsbüros etwa ebenso auf „Info-Direkt“ als auch im mittlerweile eingestellten „Wochenblick“.
Die FPÖ benötigt die etablierten Medien nicht mehr. In deren Diktion Systemmedien und Lügenpresse. Die Saat geht auf. Um sie kreisen alternative Medien, deren Reichweite wächst. Profil berichtet über ein Online-Panel der „Austrian National Election Study“ (AUTNES), die erstmals die Reichweite von elf Partei- und Alternativmedien abgefragt hat. Ein Achtel der befragten Wahlberechtigten und jeder vierte FPÖ-Wähler nutzt den Parteisender „FPÖ TV“ mindestens einmal pro Woche. „AUF1“ oder „Report24“, erreichen je ein Zehntel der Wahlberechtigten.
Momente der Abneigung:
Die blaue Abkehr von den etablierten Medien und deren Geringschätzung hat längst begonnen. Sein erstes Interview nach der Nationalratswahl hat Kickl AUF 1 gegeben. Für professionelle Medien wie der französischen Nachrichtenagentur AFP oder profil war bei einer jüngsten FPÖ- Pressekonferenz angeblich kein Platz mehr. FPÖ OÖ Chef Haimbuchner 2023 in Marchtrenk: „Unter einem freiheitlichen Kanzler Kickl werden so einige wieder das Benehmen lernen: vom Journalisten bis zum Islamisten.” Der ORF-Satiriker Peter Klien wird 2023 von einem Security eines FP-Events in Hartberg in den Schwitzkasten genommen, weil er Kickl eine Frage stellen wollte. Bereits 2018 kurz vor Ibiza kündigte der von der FPÖ nominierte Stiftungsratsvorsitzende Steger an, von den Auslandskorrespondenten ein Drittel zu streichen, wenn diese sich nicht korrekt verhalten. Im vergangenen März fallen bei einer blauen Medienexkursion ins EU-Parlament in Straßburg die Teilnehmer mit dem Abfilmen von Bildschirmen fremder Journalisten auf. Das Posting von Wiens FP Nepp zu einer Berichterstattung des Standard ist bekannt. „5 gute Jahre, wenn es mit diesem ‚Scheißblatt‘ vorbei ist“. Es hat auch Methode, dass kritische JournalistInnen persönlich angegriffen werden und in der rechten Social-Media-Welt an den Pranger gestellt werden. Wie gerade jetzt durch den Verhandlungsführer der FPÖ für das Medienkapitel. Ebenfalls bekannt sind die Ansichten des blauen ORF Stiftungsrates Peter Westenthaler. “Daher ist es […] an der Zeit, da in dem ORF im Stiftungsrat ordentlich aufzuräumen. Dass solche Manipulanten wie da einfach nicht mehr im ORF tätig sein dürfen, das gehört einmal gesagt liebe Freunde.” In Bild und Ton festgehalten (ORF-Report 28.01)
Dass Kickl und seine FPÖ Ungarns Orban nahestehen, ist bekannt: Ein Blick in dessen Medienland (Online-Einschätzung von Reporter ohne Grenzen)
„Seit Viktor Orbán und seine Fidesz-Partei 2010 an die Regierung kamen, haben sie die Medien Schritt für Schritt unter ihre Kontrolle gebracht. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und Ungarns einzige Nachrichtenagentur MTI wurde in der staatlichen Medienholding MTVA zentralisiert. Die regionale Presse ist seit Sommer 2017 vollständig im Besitz Orbán-freundlicher Unternehmer. 2018 wurden fast 500 regierungsnahe Medienunternehmen in einer Holding mit zentral koordinierter Berichterstattung zusammengefasst. Wichtige kritische Medien wurden eingestellt, große Nachrichtenportale in den Besitz Orbán-naher Unternehmer und redaktionell auf Linie gebracht. 2021 wurde bekannt, dass die Regierung mehrere Medienschaffende mit der Pegasus-Software hat überwachen lassen. Die neue “Agentur für den Schutz der Souveränität”, die durch ein 2023 verabschiedetes Gesetz geschaffen wurde, droht zu einem Instrument für administrative Schikanen gegen die Medien zu werden“.
Diese Entwicklung ist auch in der Slowakei zu beobachten. Ministerpräsident Fico arbeitet mit Hochdruck an der Zerschlagung des öffentlichen Rundfunks und der freien Medien.
Grüner Anlauf für eine eigene Medienförderung in Oberösterreich
Professionellen und qualitätsvollen Journalismus zu stärken war und ist zentrales Anliegen der Grünen. Dies war Bewegrund für einen Antrag bereits im Jahr 2022, der seitdem in einem Unterausschuss liegt, der nicht einziges Mal getagt hat. Darin fordern die Grünen ein umfassendes Modell für eine oberösterreichische Medienförderung zu erstellen, das Qualitätskriterien für die Vergabe von Medienförderungen beinhaltet. Zugleich soll es Reform der Inseratenvergabe geben, um klare, transparente und nachvollziehbare Kriterien für die Vergabe von Schaltungen einzuführen.
Der Grüne Landessprecher LR Stefan Kaineder:
„Unabhängige Medien sind eine Säule der Demokratie und Meinungsfreiheit. Das waren sie immer und werden sie immer sein. Sie sind ein Spiegelbild eines Landes, Ausdruck von Vielfältigkeit und Pluralismus. Sie sind ein Bollwerk gegen Totalitarismus und Willkür. Und dieses Bollwerk darf in Österreich keinen Millimeter abgetragen werden. Demokratie und Medienfreiheit sind keine beliebige Verhandlungsmasse. Sie haben nichts zu suchen am Marktplatz für Abtauschgeschäfte. Hat sie Reststücke von Verantwortung für dieses Land, darf sie den Umbau der Medienlandschaft nicht zulassen. Keinen Deut weit abgehen, keine Zugeständnisse, keine Kompromisse. Alles andere nimmt den Medien ihre ureigenste Aufgabe, ihr Selbstverständnis und ihre Zukunft. Und damit auch dem Land“.
Der Grüne Klubobmann LAbg. Severin Mayr:
„Die FPÖ hat aus ihrer Abneigung gegenüber den etablierten Medien nie ein Hehl gemacht. Sie ist von deren Kritik geflüchtet in ein eigens errichtetes mediales Paralleluniversum. Erweitert um dubiose mediale Satelliten. Es gibt kein Korrektiv, keinen professionellen Journalismus, der prüft, die Fiktion von Wirklichkeit trennt. Keine gebotenen Kriterien der Qualität. Lässt man die FPÖ, wird sie ihre Vorstellung von fairen Medien über das Rollen ausrollen. Für Bauchschmerzen sorge die radikale blaue Agenda, lassen führende ÖVP Vertreter:innen verlauten. Ein flaues Gefühl ist bei den blauen Medienplänen markant zu wenig. Die ÖVP hat eine Schutzmauer um die Pfeiler der Demokratie zu errichten. Alle haben dies geschlossen zu tun, alle die in Verantwortung gewählt sind und auf die Verfassung angelobt sind. Von den Bürgermeistern bis zu den Landeshauptleuten“.