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03.05.2022 Allgemein

Brü­chi­ger Os­ter­frie­den oder die Kraft einer neuen Welle

Weiße Blumen

Inzidenzen, Neuinfektionen, Wellen.

Begriffe dieser Art prägten das Leben der vergangenen beiden Jahre wie kaum jemals zuvor. 

Just als der Höhepunkt der aktuellen Corona-Welle geglaubt war, brachen Nachrichten über uns herein, die jeglichen Frust über das Leben mit oder ohne FFP2-Maske, in oder zwischen Lockdowns, mit oder ohne Babyelefant mehr als trivial erscheinen lassen: die Nachricht vom Einmarsch Putins in der Ukraine und dem Beginn eines Krieges, der für viele von uns außerhalb des Vorstellbaren liegt. So nahe, zu nahe. 

 

Mehr als vier Millionen Menschen sind laut UN Flüchtlingshilfswerk bisher aus der Ukraine geflohen, die meisten davon Frauen mit Kindern. Eine Welle an Hilfsbereitschaft hat dies losgetreten, Menschen, die Hilfsgüter sammeln und zum Teil sogar selbst bis zur Grenze der Ukraine brachten, Benefizveranstaltungen, die durchgeführt wurden und im Besonderen auch Private, die ihre Haustüren und Zimmer für ukrainische Vetriebene geöffnet haben. Doch nicht nur. 

 

Zu meinen, alle angekommenen ukrainischen Frauen und ihre Kinder wären hier in Sicherheit, ist – leider – vermessen. Sie müssen die Rechnung bezahlen eines nach wie vor bestehenden häufig männlichen, sexualisierten Besitzanspruchs: bereits am ersten Kriegswochenende schnellten deutschsprachige Such-anfragen zu ‚Porno Ukraine‘ in ungeahnte Höhen (mehr dazu findet sich in der Spiegel-Kolumne von Margarete Stokowski vom 08.03.22), die Warnung vor Menschenhandel wird für Neuankömmlinge mittlerweile in ukrainisch übersetzt und an Knotenpunkten wie etwa Bahnhöfen ausgehängt. 

 

Um dies zu verändern, bedarf es reichlicher Bewusstseinsbildung und gesellschaftlichen Wandels, der Frauen denselben Raum zuspricht wie Männern, mit demselben Vermögen sich zu behaupten und nicht per se ausgeliefert und schutzbedürftig wahrgenommen werden zu müssen. 

 

Ein solcher Wandel würde es auch unterbinden, dass ein Mann der Ehre seiner Frau halber bei der Oscar Verleihung vor Millionen von Zuseher:innen den Moderator schlägt und wenig später ohne Weiteres einen Preis entgegen nimmt. Ein gewaltfreies, gleichberechtigtes Vorgehen wäre bei den Oscars ebenso die Devise wie bei der Aufnahme ukrainischer Vertriebener oder gar bei der Beilegung des Krieges und dem Abzug russischer Truppen. 

 

Denn eines ist allen drei Bereichen gemein: es sind nur einzelne Täter:innen, die aus der Reihe tanzen, und von denen wir uns die Hoffnung auf das Gemeinschaftswerk eines Osterfriedens nicht nehmen lassen sollten, gleich der Kraft einer neuen Welle.

Doris Linzner
Doris Linzner
Gemeinderätin
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