Betonwandl 4222?
Die Bebauung des Zentrumsbereiches von St. Georgen an der Gusen wird in der Bevölkerung bekanntlich kontrovers diskutiert. Zu viel werde gebaut und alles sei voller Betonklötze. Neulich hörte ich in diesem Zusammenhang, dass der zentrale Bereich unseres Ortes wenig schmeichelhaft als „Betonwandl“ tituliert wurde.
Dementgegen wird St. Georgen von Raumplanungsexperten oft gelobt, da verdichtet im Ortskern gebaut wird, anstatt flächenfressende Einfamilienhäuser fernab des Zentrums zu forcieren. Verdichten im Zentrum schön und gut. Auch die Altstadt von Venedig ist im Zentrum dicht bebaut. Was bei uns aber meiner Meinung nach schiefläuft, ist die Qualität der Bauausführung. Das hat seine Gründe. Im Jahre 2014 wurde dem Bauen qualitativ hochwertiger Wohnungen in Oberösterreich ein besonders schmerzhafter Schlag ins Gesicht versetzt. Das von LR Haimbuchner (FPÖ) geführte Wohnbauressort erstellte für den geförderten Wohnbau einen verpflichtenden Standard-Ausstattungskatalog, welcher rein auf Kostenreduktion ausgerichtet ist. Der Aufschrei in der Baubranche zur Rücknahme dieses Regelwerkes verhallte ungehört. Zähneknirschend fügte man sich schließlich und das Ergebnis ist allerortens zu sehen: uniforme 08/15-Blöcke. Der neue Katalog zur Wirtschaftlichkeit geförderten Wohnens des Landes OÖ (immer noch Haimbuchner) vom Juli 2021 schlägt in dieselbe Kerbe. Dachgärten? Verboten. Fassadenbegrünung? Fehlanzeige. Der Druck zum kostengünstigen Bauen wird auch von den (untereinander konkurrierenden) Wohnbauträgern ausgeübt. Oft genug erlebte ich in meiner aktiven Zeit als Diplomingenieur für Architektur bei Eröffnungsfeiern, wie stolz verkündet wurde, dass so und so viel Prozent der veranschlagten Kosten eingespart werden konnten, während es in der Ausführungsphase es immer wieder hieß: „Das können wir uns keinesfalls leisten!“
Dass mit Förderungsmitteln für den Wohnbau sparsam umgegangen werden muss und wir günstiges Wohnen brauchen, ist unbestritten. Die aktuelle Krise fordert das sicher noch mehr ein. Unbestritten ist aber auch, dass alle soziale Schichten in technischer wie in gestalterischer Hinsicht das gleiche Recht auf einen zeitgemäßen Wohnstandard haben. Auch ist es wichtig für eine Gemeinde ihren eigenen Charakter und wohnliche Gestaltung zu bewahren. Im Moment erleben wir aber, wie das Leben in einer schönen Umgebung wieder zum Privileg der wohlhabenden Bevölkerungsschichten wird.
Wieso hochqualitatives Bauen in Vorarlberg selbstverständlich ist, erfuhr ich übrigens heuer anlässlich einer Exkursion ins Ländle mit dem St. Georgener Ortsentwicklungsverein: Man habe eine rege Bau- und Architekturszene, die die Vorteile guter Planung schon seit den 80er Jahren aktiv an Bauträger und die Öffentlichkeit heranträgt. Dadurch hat sich im öffentlichen und privaten Bereich über die Jahre ein höherer Qualitätsanspruch entwickelt. Bauschaffende in Oberösterreich können über derartige Aussagen derzeit wohl nur bitter lächeln und in St. Georgen, freiwillig oder nicht, das „Betonwandl“ weiter ausbauen.
„Wie Arbeit und Gesundheit ist Wohnen ein Grundbedürfnis des Menschen. Wohnen muss leistbar und qualitativ hochwertig sein!“ (Forderung der Mietervereinigung zur Nationalratswahl 2017). Es wäre so einfach, qualitätsvoll wie auch kostengünstig zu bauen: • Durchführung von Architekturwettbewerben bei Landes- und Gemeindeprojekten. • Bei Bauprojekten in öffentlichem Interesse Bevölkerung einbinden. • Nicht immer automatisch alle kommunalen Planungsaufträge einer Gemeinde den immer gleichen „Platzhirschen“ erteilen. • Gestaltungsbeiräte einführen. • Im Bewilligungsverfahren der Gemeinde Anreize für bessere planerische Qualität schaffen.